
Es gibt verschiedene Meinungen darüber, ob Buddhismus eine Religion oder doch eher eine Philosophie ist – ich persönlich glaube, der Buddha selbst hätte seine Lehre am ehesten als „Methode“ bezeichnet.
Denn der Buddha ist kein Schöpfer, sondern ein Entdecker – er erkannte die wahre Natur und die Ursachen von Leid (dukkha) und auch, was Leid entgegenwirkt bzw. wie man dies in die Praxis umsetzt. Das sind die sogenannten vier edlen Wahrheiten und die Erfüllung dieses Weges, also das endgültige sich-frei-machen und nicht hilflos dukkha ausgeliefert zu sein, ist das, was man „Erleuchtung“ nennt und das, wonach Buddhisten streben.
Die Ursachen von Leid werden in den Schriften ausführlich analysiert und ich gehe hier aus Platzgründen nicht im Detail auf die sogenannten „12 Glieder des abhängigen Entstehens“ ein (Interessierte können diesen Begriff aber gerne mal in die Suchmaschine ihres Vertrauens eingeben ;-)). Grob gesagt entsteht Leid auf der Basis von drei Faktoren: Unwissenheit/Verblendung, Gier und Hass.
Und eben diese drei muss man an der Wurzel packen, wenn man sich von Leid befreien möchte. Dies tun Buddhisten, indem sie ihr Leben nach dem „Edlen Achtfachen Pfad“ ausrichten, dessen acht Teile wiederum grob gesagt in drei grundlegende „Trainings-Disziplinen“ eingeteilt werden können:

Diese drei Disziplinen sind wie drei Äste, die sich gegenseitig stützen: Nur zu dritt können sie aufrecht stehen, wenn es nur zwei Äste sind, fallen sie um. Und das macht absolut Sinn: Weise wird nur der, der lernt, hinzuschauen. Wer hinschaut, statt die Augen zu verschließen, wird empathischer. Wer empathisch ist und seine Mit-Geschöpfe voller Liebe betrachtet, ihr Leid als sein eigenes wahrnimmt, wird unweigerlich intensiver über das Leben nachdenken und noch weiser werden. Und weil hinschauen, nachdenken und vor Allem: lieben! nur möglich ist, wenn der Kopf nicht mit einem Chaos aus wirren Gedanken und seelischem Ballast zugestopft ist, braucht es Samādhi, also die Meditation, um Liebe und Weisheit zu stützen.
Das klingt wunderschön, ist aber in der Praxis alles andere als einfach. Denn je mehr man lernt, „hinzusehen“, je empathischer der Übende wird und je mehr Liebe für alle Geschöpfe in seinem Herzen lebt, umso intensiver wird er auch das Leid aller Lebewesen wahrnehmen. Das ist eine enorme psychische Herausforderung, denn wie soll man damit umgehen, wenn man täglich den Schmerz, die Angst, die Pein aller anderen um einen herum wahrnimmt?
Im Yogācarabhūmi-Sastra, der Kernschrift des Yogācara-Buddhismus, ist deshalb beschrieben, dass der angehende Bodhisattva irgendwann an einen Punkt kommt, an dem das Leid aller Wesen ihm unsagbare Qualen bereitet. Die Herausforderung für den Übenden ist dann, damit umzugehen und über den Schmerz hinauszuwachsen, indem die liebende Güte in seinem Herzen zu einer unzerstörbaren, inneren Kraft wird. Das ist sehr schwierig und deswegen wird im Buddhismus auch die Wichtigkeit eines Kalyāṇa-Mitta – ein spiritueller guter Freund – betont, der dem angehenden Bodhisattva zur Seite steht, ihm wenn nötig den Spiegel vorhält und als Vertrauensperson hilft, den Herausforderungen seines Weges mutig zu begegnen.